Bericht zu postdramatischem Auftritt

Bericht zu postdramatischem Auftritt

Am Montag den 4. April bricht in der großen Pause auf einmal ein Tumult aus. Flashmob-artig beginnt eine Gruppe von Schüler:innen sich zuerst langsam, dann immer schneller, kreuz und quer über den Pausenhof zu bewegen. „Das war total weird und irgendwie voll unangenehm“, so in etwa der Konsens unter der quasi zum Beobachten gezwungenen Schüler:innenschaft.
Aus den Standbildern voller Entsetzen und direkt zu Beginn der Aufführung auf dem ganzen Pausenhof verteilten Zetteln mit Aufschriften wie „meine Schwester“, „mein Teddybär“ oder „mein Zuhause“, wurde den Meisten relativ schnell klar, vor welchem Hintergrund die Inszenierung entstanden war: dem Krieg in der Ukraine. Was hingegen schwerer fiel war eine Message auszumachen. Mit dem wohl sehr menschlichen Bedürfnis Kunst eine Moral oder Lehre zu entnehmen, nach etwas dem man klar und deutlich zustimmen kann oder eben nicht, kam das Publikum hier nämlich nicht weiter. Einerseits, weil es von simultanen Eindrücken überschwemmt wurde: In Blut getränktes Geld, Jemand der einen ganzen Kuchen verschlingt, grobe Beleidigungen, jemand der versucht aufzuräumen, Andere die um Hilfe bitten und das alles unterlegt von einer Arie. Andererseits, weil der Theaterkurs eine postdramatische Performance inszenierte. Die Bedeutung wird hier nicht von den Inszenierenden festgelegt, sondern entsteht ausschließlich in der Zuschauer:innenschaft.
Und das hatte funktioniert. Die Aufführung wurde heißes Gesprächsthema, sogar noch Wochen später wurden die Schauspieler:innen auf ihre Performance angesprochen: „Euer Auftritt war der Hammer, aber was genau wolltet ihr damit sagen?“ Eine Frage auf die der Theaterkurs eine Antwort parat hat, denn genau das zeichnet die Postdramatik laut diesem aus: „Das eigentliche Theaterstück spielt sich in dir drin ab. Es soll zum Denken anregen, Gefühle provozieren und am Ende des Tages jedem und jeder helfen für sich selbst einen Weg zu finden das Erlebte einzuordnen. Bekommt man eine Message mitgegeben, ist es viel einfacher diese als gut oder schlecht abzustempeln und damit einfach abzuhacken. Außerdem ermöglicht dies mit einer Inszenierung nicht nur ein Thema klar zu umreißen, sondern dem Publikum ein ganzes Spektrum an Gefühlen und Deutungsmöglichkeiten auf einmal anzubieten. Je nach Perspektive und persönlichem Hintergrund kann das Gesehene so unterschiedlich eingeordnet werden.“ Wenn das ganze also mit einem weirden „Hä?“ endete, dann wurde richtig zugeschaut.

Matteo Schweizer