Was hat Kunst mit Frieden zu tun? Und: Seit wann darf man im Schulhof Graffiti sprühen?

Was hat Kunst mit Frieden zu tun? Und: Seit wann darf man im Schulhof Graffiti sprühen?

Ein Erklärungsversuch von Alexandra Fischer-Herl

Der Konflikt in der Ukraine wurde und wird auch an unserer Schule viel diskutiert. So kam es kürzlich vor, dass selbst ein Fünftklässler mich als Lehrerin im Kunstunterricht fragte, auf welcher Seite ich denn sei: Russland oder Ukraine? Gleichzeitig spürten viele Lehrer Sorgen und Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler (SuS), die aktuelle Situation in Europa zu bewerten und einzuschätzen.
Um das ein oder andere, das unter den SuS auf dem Pausenhof diskutiert wurde, mit geschichtlichem Kontext oder Wissen über die NATO zu bereichern, sprachen Klassenlehrer mit ihren SuS diese Themen an, sofern sie spürten, dass Redebedarf besteht. Denn das Verschweigen ‚eines Elefanten im Raum‘ bringt nichts. Es tut gut, über Sorgen zu reden. Dadurch kann sich herausstellen, dass der ein oder andere besorgniserregende Gedanke vielleicht unbegründet ist, weniger schlimm oder zumindest nicht so bedrohlich, wie das der oder die einzelne zunächst denkt.
Bei den Gesprächen über den Konflikt in der Ukraine kam bei vielen SuS der Wunsch auf, etwas zu tun. So gab es in einigen Klassen beispielsweise verschiedene Ideen, Geld zu sammeln oder an Hilfsaktionen teilzunehmen. Bei der Klasse 5b von Frau Heusel wurde von einigen SuS der Wunsch geäußert ein Kunstprojekt zum Thema Frieden zu machen. Diese nahm daraufhin Kontakt zu mir auf und wir beide beschlossen, dass wir den Wunsch der Schüler gerne unterstützen. Frau Heusel klärte mit den Schulleitungen, ob es erlaubt wäre, im Schulhof Friedenszeichen mit Kreidespray anzubringen. Ich konnte mich zeitgleich an die Vorbereitung von möglichen kreativen Angeboten für die Klasse 5b machen.
„Das bringt doch nichts!“, sagte dann ein Schüler als ich mögliche Aktionen im Unterricht für die folgende Woche vorschlug. „Ein Kunstprojekt hilft den Menschen in der Ukraine nicht.“ Da hatte der Schüler mit seinem Einwand recht, zumindest in dem Moment hilft es nicht, die konkrete Not zu lindern, die dort gerade herrscht. Aber die Klasse war dann überzeugt, dass man durch Aktionen ein Mitfühlen mit den Menschen in der Ukraine zeigt. Es sollte der gemeinsame Wunsch nach Frieden ausgedrückt werden. Wenn viele Menschen auf der Welt diesen Wunsch ausdrücken, kann es doch ein großes Zeichen werden. Ein Zeichen, dass zum Beispiel Gewalt keine Lösung sein kann, um Konflikte zu lösen. Ein anderes Wort für das ‚Zusammenhalten mit jemandem aufgrund gleicher Anschauungen‘ oder ein Zusammengehörigkeitsgefühl nennt man Solidarität. Das war die Grundidee des Kunstprojekts zum Thema Frieden.
Wir dachten außerdem daran, dass vielleicht ukrainische Kinder an die Schule kommen könnten. Wenn diese unsere Friedenszeichen sehen würden, würden sie sich willkommen fühlen. Zudem sollten alle SuS unserer Schulen das Gefühl bekommen, dass wir Alle einen positiven, gemeinsamen Wunsch haben, nämlich den Wunsch nach Frieden. Wenn wir merken, dass da andere sind, die sich dieselben Gedanken machen, kann es einem vielleicht schon ein wenig besser gehen.
Voller Tatendrang legten die SuS der Klasse 5b am 22. März 2022 los. Dabei bekamen sie tatkräftige Unterstützung ihrer angesprochenen Patinnen aus der neunten Klasse. Amelie, Mia und Marie-Fee wurden freundlicherweise vom Sportunterricht befreit, um mitanzupacken. Dies machte es möglich, verschiedene, unabhängig voneinander, funktionierende Teams zu bilden. Die Schüler durften auswählen zu was sie Lust hatten und natürlich hätte es mögliche, neutrale Aufgaben gegeben, die nichts mit Frieden zu tun hatten.

Zwei Kleingruppen wollten gerne ein Poster gestalten. Bunt und fröhlich sollte es für eine Gruppe von Mädchen sein.

Für das andere Team war schnell das Peace-Zeichen in der Mitte aufgezeichnet. Die mitgebrachten Übersetzungen für das Wort Frieden in ganz vielen Sprachen, wurden noch zusätzlich auf das große Blatt übernommen.

Andere machten sich daran Rohlinge von Abreißzetteln mit Inhalten zu füllen. Inspiriert durch das Projekt Frieden-TO-GO (www.eduki.com), wurden wohltuende Botschaften zum Abreißen und Mitnehmen entworfen, geschrieben und gestaltet. Danach wurden die Abreißzettel an verschiedenen Stellen im Schulhaus und der Mensa aufgehängt. So wie es aussah, haben nach nur wenigen Stunden alle der kleinen Abreißzettel Empfänger gefunden.

Eine dritte Gruppe von SuS erstellte aus alten Schnellheftern, Schablonen mit Zeichen für Frieden, die später mit Kreidespray im Schulhof gesprüht werden sollten. In Eile wurden Tauben und Peace-Zeichen aufgezeichnet und in die Folien geschnitten. Da musste zunächst jedoch überlegt werden, wie das am besten gelingt. Wenn man beispielsweise einen Kreis ausschneidet, würde das später lediglich einen gesprühten weißen Kreis, und kein Peace-Zeichen, ergeben. Trotz Zeitdruck (wir hatten nur zwei Schulstunden!) wurden Schablonen fertig und die Zeichen konnten gesprüht werden.

Heißt das, dass Graffiti sprühen ab jetzt im Schulhof erlaubt ist? Nein!
Diese Aktion wurde von den Rektor;innen vorab genehmigt. Dazu kommt, dass für das Sprühen Kreidespray benutzt wurde. Dies ist nicht umweltschädlich und die Zeichen werden sich nach und nach wieder wegwaschen.
Es hat sich wohl für alle Beteiligten gut angefühlt etwas zu tun. Gerade in einer Situation, in der man sich vielleicht hilflos oder ängstlich fühlt, war es gut gemeinsam aktiv zu werden. Für all diejenigen, die die entstandenen Werke sehen, soll es ein Gruß der Klasse 5b mit Patinnen und ein Zeichen von Solidarität sein.